Ulrich Karthaus konzentriert sich hier auf solche Werke des Sturm und Drang, die die Eigenart der Epoche in besonderem Maße verdeutlichen. Auf der Basis des aktuellen Forschungsstandes liefert er Grundlageninformationen und stellt Textanalysen vor. Er beginnt mit dem Wegbereiter Hamann, stellt ausführlich Herders Gedanken dar, handelt von Goethes Lyrik und von seinem "Werther". Eigene Kapitel gelten dem Genie-Gedanken, dem Drama der Zeit, der Lyrik und der Erzählprosa. Ein kommentiertes Literaturverzeichnis erleichtert den Einstieg in die Forschungsdiskussion.
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Neue Zürcher Zeitung
Sturm und Drang
hak. Erfreulich, dass sich die exemplarischen Textanalysen bei allen drei Gattungen nicht auf die bekanntesten Hauptwerke des Sturm und Drang beschränken, sondern auch den heutigen Studenten weniger geläufige, aber für den historischen Kontext wesentliche Werke erschliessen: So wird der Leser nicht nur mit Goethes Erlebnislyrik, sondern ebenso mit Herders Volksliedersammlung vertraut gemacht, mit Gerstenbergs «Ugolino» als epochentypischem Drama nicht weniger als mit dem «Götz», unter den Erzähltexten nicht nur mit dem «Werther»-Roman, sondern genauso mit Jung-Stillings Autobiographie und mit den Idyllen von Maler Müller und J. H. Voss. Nicht gewürdigt wird - wie fast immer in literaturgeschichtlichen Überblicken zur Epoche - auch hier der Anteil von Matthias Claudius, Vossens Mitstreiter am «Musenalmanach», der zur expressiven Sprache des Sturm ebenso beigetragen hat, wie er (etwa in der «Werther»-Rezension des «Wandsbecker Bothen») zu einem frühen Kritiker der Bewegung geworden ist. Claudius, der Übersetzer der «Apologie des Sokrates», war wohl auch der wichtigste Briefpartner J. G. Hamanns, dessen «Sokratische Denkwürdigkeiten» Karthaus mit Recht als einen Grundtext des Sturm und Drang würdigt. Mehr sein als scheinen, das erweist sich auch in diesem Band des Giessener Germanisten als der heimliche Wahlspruch der von Wilfried Barner und Gunter E. Grimm herausgegebenen Reihe der «Arbeitsbücher zur Literaturgeschichte».